Meine Uni werde ich nie wieder
sehen, davon war ich vollkommen überzeugt, denn ich wollte für immer bei
meinem Schwarm mit den
speziellen Augen bleiben. Ich liebte ihn; sogar nach fünf Jahren hatte ich
immer noch Gefühle für ihn und nur in meiner eigenen Welt konnten wir uns
sehen. Dafür war ich sogar bereit, mein Leben in der Realität aufzugeben. Als
ich meine Augen öffnete, stand ich an der Bushaltestelle; vor mir ragte das
giftgrüne Gemeindehaus, das ich seit dessen Erbauung hasste. Welcher Vollidiot
kam auf die hirnrissige Idee, ein Gebäude gelbgrün anzumalen? Furchtbar war in
dieser Hinsicht noch untertrieben.
„Es ist so hässlich.“
„Ich weiss.“
Er stand neben mir, aber mein
Blick war immer noch auf das Haus gerichtet. In meiner Welt würde ich das
Gemeindehaus abreissen und seinen Vorgänger, der alt und gemütlich gewesen war,
wieder an Ort und Stelle erstehen lassen.
„Ich freue mich, dass du dich so
entschieden hast“, sagte er zu mir und legte seinen Arm um meine Schultern,
„nur will ich nicht, dass du es
irgendwann bereust.“
Doch bevor ich etwas erwidern
konnte, hatte sich die Szenerie verändert; das grüne Gemeindehaus war
verschwunden und Monaco tauchte vor unseren Augen auf: Den Yachthafen, die
Villen, die Hochhäuser, sogar das Schloss des Fürsten konnten wir sehen. Ich
sah meinen Schwarm an, doch in dessen Gesicht war ein ebenso grosses Fragezeichen
wie in meinem zu erkennen.
„Was ist hier los?“
„Das weiss ich doch selber auch
nicht“, fuhr er mich aufgebracht an und das Einzige, was wir beide tun konnten,
war abzuwarten. Eine menschliche Erscheinung formte sich vor unseren Augen. Sie
raubte mir den Atem, als sie
sich manifestiert hatte. Mein
Puls fing vor Aufregung an zu rasen.
„¡Hola, mis amigos!“
Es war der Latino Schrägstrich
Rennfahrer aus meinem letzten Traum. Wieso war er da? Hatte ich etwa an
Motorsport gedacht? Was sollte ich tun? Tausende von Fragen kreisten in meinem
Kopf und ich fand keine Antworten.
„Hola my ass!“, schrie mein Schwarm völlig
ausser sich und stapfte wütend auf den Südländer zu, „what do you
want from us?“
Es hatte den Anschein, als
wollte er den Rennfahrer und sein monegassisches Territorium aus unserer Welt schaffen,
doch weiter als in die Mitte des Fussgängerstreifens konnte er es nicht
schaffen. Eine Art Barrikade liess ihn nicht auf die mediterrane Seite. Mit aller
Kraft schlug mein Schwarm und ehemaliger Rivale gegen die unsichtbare Mauer,
aber bewirken konnte er nichts.
„Take this wall down!“, befahl
er dem Profisportler, doch dieser lächelte nur amüsiert und zugleich spöttisch.
„Even if I want, I can’t. The
only one who is able to pass it is this chica.“
Mein Schwarm sah mich wie
versteinert an, während der Südländer seine Hand nach mir ausstreckte, um mich
auf seine Seite zu locken. Er
wusste, dass ich ihn bewunderte, und das nutzte der Profisportler gezielt aus.
„You don’t belong to this world.
Come to me. You should live on“
Ich machte einen Schritt nach
vorn, vergass den personifizierten Teufel der Verlockung, der mich in diese
Welt gebracht hatte, und war bereit, die Hand auf der monegassischen Seite zu
ergreifen. Meine Entscheidung für immer in einer Traumwelt zu leben, schien mir
auf einmal sehr überstürzt gewesen zu sein.
„Du lässt dich nicht wirklich
von ihm um den Finger wickeln, oder?“
Eigenartigerweise brachte mein
Schwarm mich damit zum Nachdenken und ich stoppte mitten in meiner Bewegung. Was
wollte ich eigentlich? Um ehrlich zu sein, wusste ich das selber nicht.
Einerseits schrie mein Herz nach Frieden und Zweisamkeit mit meinem ehemaligen
Rivalen, andererseits hatte mein momentaner Lieblingsrennfahrer Recht und ich
sollte die Vergangenheit ruhen lassen.
„Geh nicht“, bat er mich.
Verzweiflung lag in seiner Stimme oder bildete ich mir da etwas ein? Alles
wurde ganz milchig, nur die mediterrane Seite blieb klar wie ein wolkenloser
Nachthimmel bei Vollmond.
„Don’t listen to him. If you do,
you’ll be trapped here forever, and you won’t be able to watch me win my first race.“
Stimmt, ich wollte ihn
mindestens einmal im Leben ein Rennen gewinnen sehen und in dieser Welt könnte ich
das nicht miterleben. Ich drehte mich zu meinem Schwarm um. Seine
grüngesprenkelten, braunen Augen flehten mich an zu bleiben, doch ich wollte
nicht mehr. Nein, für immer mit ihm in einer Scheinwelt zu leben, das würde
eines Tages zur Qual werden. Ich nahm die Hand des Profisportlers, worauf er
mich auf seine Seite zog und die Welt, die hinter mir lag von einem weissen
Schleier verschluckt wurde. Ich werde den Teufel mit den sonderbaren, aber
schönen Augen nie wieder sehen.
„You made the right choice.“
Erst in diesem Moment bemerkte
ich, dass das Gesicht des Profisportlers mir besonders nah war, so dass ich die
Sommersprossen auf seiner Nase zählen konnte.
„Ti amo, mi amor.“
Ich schlug die Augenlider auf
und wurde darauf vom grellen Licht einer Lampe geblendet. Dutzende Stimmen sprachen
in einem wirren Durcheinander, so dass ich nicht ausmachen konnte, welche von
ihnen zu wem gehörte.
„Sie ist wieder zu sich
gekommen!“
Ja, das war eindeutig kein Traum
mehr.
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